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AutorenbildNane Schomburg

Interview Reihe: Qualzucht aus Sicht der Tiermediziner

1. @tierarztpraxisbenner


• Magst du euch und eure Praxis einmal kurz vorstellen? o Wir sind eine familiäre Tierarztpraxis im Bereich Kleintiere in Mülheim an der Ruhr. Unser überschaubares Team mit einer Ärztin und drei Helferinnen hat stets Freude an der Arbeit und den Tieren.

• Was ist für euch eine Qualzucht? o Qualzuchten sind für uns Rassen die (bewusst) krank gezüchtet werden. ZB eine Französische Bulldogge, bei der eine besonders kurze Nase wünschenswert ist und zum Rassestandard gehört. Nebensächlich ist hierbei welche Folgen dies für die Atmung und somit auch das allgemeine Wohlbefinden der Tiere hat. Ein ähnliches Problem zeigt sich bei BKH und Perser Katzen. Die Scottish Fold Katze hat sowohl dieses Problem, als auch die mehr als qualvolle Verkrüppelung der Gliedmaßen die durch den angezüchteten Knorpeldefekt entsteht.

• Welche Erfahrungen habt ihr mit oben genannten Rassen gemacht? o Erfahrungen mit Frenchies sind wohl am häufigsten, bei der Rasse hat fast jedes Tier massive Probleme mit der Atmung und eine dadurch entstehende Leistungsdepression. Eine Geschichte aus unserer Praxis zu den Scottish Fold Katzen: Ein Wurf einer „Hobbyzüchterin“, leider wurden in diesem Fall sogar zwei Scottish Fold miteinander verpaart sodass schon die gerade mal 8 Wochen alten Kitten hochgradige Deformationen an den Gliedmaßen, sowie am Schwanz aufwiesen. Das Veterinäramt wurde hinzugezogen.

• Habt ihr das Gefühl ihr seht mehr, weniger oder gleich viele Vertreter dieser Rasse? o Leider sehen wir relativ viele dieser Rassen, was vermutlich auf das „süße“ Äußere dieser Tiere zurückzuführen ist. Außerdem ist der freundliche Charakter nicht zu leugnen. Vorallem die Französische Bulldogge scheint weiterhin im „Trend“ zu sein.

• Habt ihr den Eindruck, dass die Besitzer dieser Rassen realisieren das ihre Tiere leiden? o Viele Besitzer berichten zwar von schnarchenden Hunden oder eingeschränkter Beweglichkeit, empfinden dies aber erschreckenderweise häufig als normal oder rassetypisch oder sogar „süß“.

• Welche Erfahrungen habt ihr bezüglich Krankenversicherungen bei diesen Rassen gemacht? o Da die meisten Versicherungen Erkrankungen in Zusammenhang mit diesen Rassen ausschließen, haben viele Besitzer keine Versicherung für ihre Tiere.


• Findet ihr es gerechtfertigt, dass einige Krankenversicherungen zum Beispiel Brachycephale Rassen nicht versichern? o Ein Ausschluss dieser Rassen oder auch rassetypischer Erkrankungen empfinden wir als sinnvoll. Es sollte nicht noch mit diesen Rassen geworben werden und durch eine Kostenübernahme den Besitzern die Entscheidung für eine solche Rasse zu erleichtern.


• Wärt ihr für ein Zuchtverbot? o Wir sind definitiv für ein Zuchtverbot. Vorallem Französische Bulldoggen, Möpse und Scottish Fold Katzen sollten besser heute als morgen von der Zucht ausgeschlossen werden. Aber auch eine Zucht der Rassen wie BKH, Perser und die Englische Bulldogge etc. sollte überdacht werden.



· Magst du euch und eure Praxis einmal kurz vorstellen? Wir sind Linnea und Charles von „TierarztTipps“. Praktizierende Tierärzte aus

Norddeutschland, die mit unserer Instagramseite @tierarzttipps und unserem

Podcast „Tierarzt Talk - die Podcast Sprechstunde“ interessierte Tierhalter wichtige Informationen zum Thema Tiergesundheit, das Leben als Tierarzt und wichtige Fragen und Themen näher bringen wollen. Information, Wahres und Spaß können Hand in Hand gehen.


· Was ist für euch eine Qualzucht?

Als Qualzucht werden solche Tiere klassifiziert, die genetisch dominant vererbte Merkmale ausweisen, welche die Allgemeine Gesundheit und ein normales Leben des individuellen Tieres einschränken. Hierzu zählt man hauptsächlich brachiocephalische Rassen, auch solche mit anatomischen Veranlagungen wie z.B. ein zu kleiner Schädel oder auch massiv überschüssige Haut, welche sich dadurch ständig entzündet.


· Welche Erfahrungen habt ihr mit oben genannten Rassen gemacht?

In einer Tierarztpraxis sieht man sehr viele Tiere verschiedener Rassen, die in die lose Klassifizierung der Qualzucht fällt. Viele von diesen sind sehr nette und witzige Gesellschaftshunde oder spezielle Rassekatzen. Gerade deswegen sind diese Tiere auch so sehr beliebt unter den Tierhaltern, da sie neben ihrer zu erwartenden gesundheitlichen Probleme oft sehr angenehm als Haustier sind und eben besonders. Die klassischen Erkrankungen wie Schwierigkeiten bei der Atmung, die Gefahr eines Augenprolapses (das Herausfallen des Auges), chronische Entzündungen der Augen, Haut oder Herzprobleme sind manchen Tierhaltern bewusst, aber mache sind auch überrascht, dass diese Röcheln „ganz normal“ für diese Art Hund ist.


· Habt ihr das Gefühl ihr seht mehr, weniger oder gleich viele Vertreter dieser Rasse?

Viele dieser Rassen sind wegen ihrem Charakter oder besonderem Aussehen sehr beliebt. Gefühlt gibt es ein kleines Stadt-Land-Geefälle, da viele der brachiocephalischen Rassen kleiner und so besser geeignet scheinen für eine Wohnung.

· Welche Erfahrungen habt ihr bezüglich Krankenversicherungen bei diesen Rassen gemacht?

Krankenversicherung für ein Tier ist in Skandinavien absolut normal. Hier noch relativ selten. Aber es werden langsam etwas mehr. Wir können das nur begrüßen, da manche notwendige Operationen sehr aufwendig, spezialisiert und deswegen hochpreisig sind


· Wärt ihr für ein Zuchtverbot?

Ein absolutes Zuchtverbot erscheint uns schwierig, da ein „schwarz-weiß“-Ansatz im Detail kompliziert sein kann. Wo fängt man an? Wo hört es auf? Beginnt man bei den brachiocephalischen Rassen, dann könnten Prädispositionen für Herzerkrankungen, chronische Allergien, Augenproblemen oder bestimmte chromosonale Besonderheiten, welche z.B. das Risiko auf Erblindung erhöhen als nächstes auf die rote Liste setzen.

Ein Ziel, welches wir als ein notwendigen Weg finden ist es die Rassen wieder in eine gesündere Richtung zu züchten. Schaut man sich Bilder von den ursprünglichen Möpsen an, dann sieht man, dass diese ein lange Nase haben. Wir haben die aus Schönheitsgründen weggezüchtet, dann ist es mit viel Motivation und gezielter Geduld auch möglich dies wieder zu verändern. Hierzu benötigt es Richtlinien, Zuchtkontrollen, Selektion und besonders eine strikte Kontrolle oder sogar ein mögliches Verbot von dem Import von Tieren, welche im Ausland nicht mit diesem Ziel gezüchtet wurden. Eine sehr große, aber keine unmögliche Aufgabe.


· Wollt ihr sonst noch etwas loswerden?

Die Erhaltung von einer Arten und auch Rassenvielfalt macht unsere Tierwelt, auch die domestizierte sehr spannend und farbenfroh. Irgendwann festgelegte „Zucht- oder Rassestandards“ sind auf der Grundlage von bestimmten phänotypischen Eigenschaften geschaffen worden, ohne die Gesundheit und Allgemeine Lebensqualität der Tiere in Betracht zu ziehen. Wir finden, dass hier die Größte Änderung dringend passieren sollte, sodass unsere Tiere besser atmen, laufen und leben können. Mit der passenden Motivation und dem Ansatz die Gesundheit über veraltete Schönheitsideale zu stellen ist dies möglich. Prävention über Reaktion.


3. @dietieraerztin


• Magst du euch und eure Praxis einmal kurz vorstellen? Die Praxis besteht seit 1983 unter dem Namen Tierarztpraxis Grelck. Nachdem mein Vater als Einzelkämpfer und nur mit Unterstützung meiner MuIer, die Praxis geführt hat, sind wir inzwischen 3 Tierärzte in Vollzeit, 5 Tfas und 4 Auszubildende. Wir sind das, was man sich unter einer „HausRerarzt-Praxis“ vorstellt und machen fast alles bis auf Knochen/Gelenkschirurgie. Wir legen besonderen Wert auf Prävention und Prophylaxe, dass heißt lieber vorbeugen als behandeln.

• Was ist für euch eine Qualzucht? Alles was nicht ohne Erkrankungen durch das Leben kommt. Also alle Tiere, die schon durch Ihre Rasse dazu bestimmt sind, Schmerzen, Leid oder Atemnot mit sich herumzutragen.

• Welche Rassen und warum?

Klar ganz vorneweg sind die Brachyzephalen. Ein komplettes Hundeleben mit dauernder Atemnot zu verbringen ist schon eine Sache, die nicht zu verantworten ist. Auch die Fold-Katzen, die von Geburt an mit OCD in verschiedensten Ausprägungen zu tun haben, und zum Teil nicht einen schmerzfreien SchriIö machen können. Die Sphinxkatzen ohne jegliche Vibrissen (Schnurrhaare) sind zwar verboten, tauchen aber immer noch auf. Alle besonders kleinen Kaninchenrassen, wie die Lops oder die auf Farbe und Fell gezüchteten Satins. Ach ja und die ganzen Farbzüchtungen. Also alles was das Risiko von Merle und Dilute in sich trägt. Einfach, weil zu viele andere Erkrankungen mit den Farbzüchtungen einhergehen.

• Welche Erfahrungen habt ihr mit oben genannten Rassen gemacht?

Da wird hinsichtlich OperaRon der Atemwege beraten und die Kunden bestmöglich aufgeklärt und dann hat die kleine Bulldogge mit 2 Jahren auf einmal einen großen Bandscheibenvorfall und eine komplette Lähmung der Hintergliedmaße. Wenn so ein durchaus sympathischer Hund nicht nur eine Baustelle ist und hat, sondern gleich mehrere. Das ist so traurig und frustrierend, weil man jetzt schon genau weiß, dass ist ein Fass ohne Boden und jeden Tag Angst haben muss, dass der Hund eine neue Geschichte ausbrütet.


• Habt ihr das Gefühl ihr seht mehr, weniger oder gleich viele Vertreter dieser Rasse?

Die Französischen Bulldoggen werden immer mehr. Jedes Jahr und es scheint nicht in den Köpfen der Menschen anzukommen, dass es diese brachyzephalen Hunde eben nicht „freiatmend“ gibt. Auch nicht, wenn der Züchter es sagt. Auch die Fold- und Sphinxkatzen werden nicht weniger und die Leute haben immer noch nicht begriffen, dass diese Tiere kein normales Leben führen können.


• Was meint ihr woran liegt das?

Influencer, Social Media, und gerade jetzt in Coronazeiten, der Wunsch nach einem HausRer.


• Habt ihr den Eindruck, dass die Besitzer dieser Rassen realisieren das ihre Tiere leiden?

Zum Teil ja, zum Teil nein. Wenn ein Mops als „freiatmend“ vorgestellt wird und im nächsten Satz erzählt wird wie niedlich der Hund schnarcht, dann ist doch eigentlich klar, dass hier etwa schief läuft.

• Findet ihr es gerechtfertigt, dass einige Krankenversicherungen zum Beispiel Brachycephale Rassen nicht versichern?

Klar doch, das wäre ja finanzieller Selbstmord für die Versicherungen. Wenn jede Bulldogge direkt operiert werden könnte auf Kosten der Versicherung. Wer soll das denn bezahlen.


• Wärt ihr für ein Zuchtverbot?

Kann man sich auch schenken. Weder bei den Fold- und Sphinxkatzen, noch bei den ganzen Brachys wird sich ein Zuchtverbot jemals durchsetzen. Wer sollte es denn auch kontrollieren. Und gerade jetzt, wo horrende Fantasiepreise für Welpen gezahlt werden.


• Wenn ja bei welchen Rassen?

Kommt sowieso nicht, und wenn kommen halt ab sofort alle Hunde aus dem Ausland.


• Wollt ihr sonst noch etwas loswerden?

Hm... wie wäre es sich beim Tierarzt vorzustellen noch bevor ein Welpe oder Kätzchen angeschafft wird und sich beraten zu lassen? Ja, der Tierarzt könnte Euch von manchen Sachen abraten und vielleicht auch Eure Wunschvorstellungen zunichte machen, aber eine offene und ehrliche Beratung erspart Eurem neuen Familienmitglied viel Leid und Euch vielleicht auch ein bisschen Geld.



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